Der Gitarrenbauer
11. November 2024Wenn Handwerk auf Kunst trifft.
Gitarrenbauer gibt es in Luxemburg nur sehr wenige. João Godinho übt diesen ungewöhnlichen Beruf aus. De Piwitsch hat ihn in seiner Werkstatt besucht.
Ein Leben für die Musik
Vermutlich ist es kein Zufall, dass João Gitarrenbauer geworden ist. Aufgewachsen ist er in einer sehr musikalischen Familie. Joãos Vater baute und reparierte Akkordeons. „Die Verbundenheit zur Musik habe ich aber von meiner Mutter geerbt“, glaubt João. „Sie war Sängerin und hat zu Hause viel gesungen.“ Mit acht Jahren bekam er seine erste Gitarre. Darauf zu spielen brachte er sich selbst bei. „Gitarre spielen ist gar nicht so schwer — man muss sich nur ein bisschen mit dem Instrument beschäftigen.“
Steckbrief:
- Name: João Godinho Alter: 54 Jahre
- Beruf: Gitarrenbauer
- Herkunft: in Portugal geboren, seit 2004 in Luxemburg
Wie wird man eigentlich Gitarrenbauer?
Es blieb nicht beim Spielen. Schon in der Grundschule fing João an, an Gitarren herumzuschrauben. Nach seinem Schulabschluss musste er, wie alle jungen Portugiesen Ende der 1980er Jahre, einige Zeit zum Militär. Danach ging er ins Ausland. Über seine Berufswahl dachte er nicht lange nach. João wurde Elektromechaniker; er musste Geld für seine Familie verdienen. Auch in Luxemburg brauchten Unternehmen Fachpersonal. So verschlug es João 2004 nach Luxemburg.
Die Welt der Instrumente verlor er aber nie aus den Augen. In einem lokalen Musikgeschäft konnte er nebenberuflich Gitarren reparieren und so viel lernen. Außerdem schloss er in Lissabon Bekanntschaft mit einem Gitarrenbauer, der ihm dabei half, seine Technik zu verbessern. „Als ich jung war, war der Zugang zu spezialisierten Schulen wirklich schwierig. Ich musste mir meine Lehrer selbst suchen. Heute ist das Gottseidank einfacher.“ Nach dem Bau seines ersten eigenen Instruments aus Holzresten — es war eine Bassgitarre — gewann er an Selbstbewusstsein. „Ich dachte zum ersten Mal daran, dass dies mein Beruf sein könnte. Danach arbeitete ich dann trotzdem noch recht lange als Elektromechaniker. Seit 2016 bin ich hauptberuflich Gitarrenbauer.“
Die Leidenschaft für ein Handwerk
Als Instrumentenbauer hatte Joãos Vater viel Werkzeug zu Hause. Damit konnte João früh üben. „Man konnte nicht einfach bestimmte Teile für ein Instrument online bestellen. Als ich jung war, gab es ja kein Internet.“ Ein großer Nachteil war das nicht. „Man musste seine Kreativität einsetzen und selbst Lösungen finden.“ Zum Gitarrenbauen gehört aber nicht nur das Wissen um die Technik, wie João weiß: „Ich spiele selbst Gitarre. Meine Erfahrung als Musiker hilft mir zu verstehen, was Musikerinnen und Musiker brauchen.“
Der Gitarrendoktor
Der Bau einer Gitarre dauert etwa einen Monat. Das ist eine lange Zeit. Deswegen kostet so ein selbstgebautes Instrument um die 5000 Euro. Oft braucht João länger als einen Monat, weil immer wieder Reparaturen dazwischenkommen. Haben Gitarristen und Gitarristinnen Probleme mit ihrem Instrument, wenden sie sich an den Gitarrendoktor. Der Großteil seiner Arbeit besteht nämlich aus Reparaturen. Auch wenn jemand mit dem Klang seiner Gitarre nicht zufrieden ist, kann João helfen. Er erklärt: „Bei industriell gefertigten Gitarren werden nicht immer die besten Materialien verwendet. Mit ein paar Handgriffen kann ich aber aus einem schlecht klingenden Instrument ein deutlich besseres machen. Auch dieser Teil meiner Arbeit macht mir sehr viel Spaß.“
Wenn plötzlich ein Star anruft
João arbeitet nicht nur für Menschen, die in ihrer Freizeit Gitarre spielen. Er hat auch schon Gitarren von Stars repariert. Auf Musiktourneen können Instrumente beim Transport beschädigt werden. Die Musikerinnen und Musiker brauchen dann schnell Hilfe. „Wenn nach der Reparatur noch ein bisschen Zeit zum gemeinsamen Musizieren bleibt, sind das ganz außergewöhnliche Erfahrungen für mich“, schwärmt João.
Die nächste Generation
„Mein Sohn ist ausgebildeter Gitarrenbauer, möchte aber nicht in diesem Beruf arbeiten“, erzählt João. „Das ist auch völlig in Ordnung. Ich würde mich aber sehr freuen, junge Talente auszubilden.“ Joãos Werkstatt ist ein Ausbildungsunternehmen: „Das bedeutet, dass ich Interessierte zu Gitarrenbauern ausbilden darf. Zusätzlich müssen sie ein theoretisches Studium absolvieren. Zum Glück gibt es mittlerweile tolle Schulen im naheliegenden Ausland.“
Der 54-Jährige hat den Weg zu seinem Traumberuf erst spät gefunden. „Das macht aber nichts“, sagt João. „Ich wünsche jedem, dass er seine Fähigkeiten entdeckt und etwas daraus macht. Jeder und jede kann etwas besonders gut. Es braucht manchmal nur etwas Mut und Ausdauer. Es lohnt sich, auf die innere Stimme zu hören. Ein Zitronenbaum ist da, um Zitronen zu geben und keine Orangen. So ist es bei uns Menschen auch.“
Wahrheit oder Mythos?
Werden Gitarren nach vielen Jahren wertvoller — so wie guter Wein? João Godinho hat dazu eine klare Meinung: „Ein schlechtes Instrument wird auch nach Jahren nicht bes ser — nur älter. Instrumente aus hochwertigem Holz können nach vielen Jahren aber tatsächlich ihren Klang verbessern. Ein gutes Instrument alleine reicht allerdings nicht aus. Es braucht auch Musiker und Musikerinnen, die darauf spielen können.“