Gereinigt, gerüttelt, geschüttelt, gemahlen und gesiebt: Wie aus Getreidekörnern Mehl wird
25. August 2022De Piwitsch war zu Besuch in der riesigen, modernen Mühle von Kleinbettingen und in der kleinen, alten Wassermühle von Enscheringen.
Der ganze Boden vibriert unter unseren Füßen. Kein Wunder, denn die Maschinen im Raum rütteln, was das Zeug hält. Sie sind viel größer als Kleiderschränke, wie du sie von zuhause aus kennst und sind vollgepackt mit Sieben, deren Maschen unterschiedlich fein sind. Durch diese Maschinen, die Plansichter genannt werden, rieseln die Reste der Getreidekörner, welche die Walzen der Mühle von Kleinbettingen zerkleinert haben.
Wir sind im Herzen der größten Mühle des Landes. Sie kann leicht mehre hundert Tonnen – hundert Tonnen ist das Gewicht von zehn männlichen Elefanten – Getreide am Tag mahlen. Manchmal, wenn etwa die Getreideernte gerade eben vorbei ist, kann noch viel mehr Getreide angeliefert werden.
Die Mühle ist eine riesige Industrieanlage, die vollgestopft ist mit Maschinen und Computern. Überall wird peinlich auf Sauberkeit geachtet. Denn in dem Mehl, das die Mühle verkauft, darf nichts sein, was da nicht reingehört. Deshalb muss jeder Besucher erstmal ein Haarnetz anziehen und einen Kittel. Natürlich mussten das auch die Reporterin und der Reporter vom Piwitsch, die den Weg vom Getreidekorn bis zum Mehl mitverfolgen durften. Klicke auf die Zahlen in den Grafiken, um einen Überblick über die Mühlenanlage und die Etappen der Mehlerzeugung zu erhalten.
Dieser Weg fängt natürlich auf dem Getreidefeld an. Mit großen Maschinen, die Mähdrescher heißen, werden die Getreidehalme abgeschnitten und die Körner werden direkt von den Halmen getrennt.
Erst mal sauber machen
Aber auch wenn der Bauer ganz gut bei der Ernte aufpasst, stecken in einer Getreideladung immer noch Pflanzenreste, Steinchen, Staub und andere Verunreinigungen, die man später nicht im Mehl wiederfinden möchte. Außerdem würden sie die Maschinen beschädigen, die nachher das Mehl herstellen.
Also heißt es erstmal: die Getreidekörner von den Verunreinigungen trennen. Aber vorher wird noch kontrolliert, ob das Getreide auch der Qualität entspricht, die die Mühle wünscht. Der Landwirt fährt dazu mit seiner Ladung auf eine Waage vor der Mühle. Während die Waage das Gewicht der Ladung ermittelt um auszurechnen, wieviel Geld der Bauer für seine Ladung Getreide bekommt, nehmen die Leute von der Mühle mit einem Saugrohr ein paar Proben aus der Ladung.
Dann schauen sie ganz genau, ob die Körner nicht zu feucht sind, nicht von Krankheiten befallen sind oder ob nicht zuviel Schmutz in der Ladung ist. Sie sehen sich aber auch noch andere Eigenschaften der Körner an, die wichtig für die Herstellung von Mehl sind.
Eine Mühle mit eigener Eisenbahnstrecke
Erst wenn alles stimmt, darf die Ladung in die große Grube bei den Schienen gekippt werden. Ja, die Kleinbettinger Mühle hat eine eigene Schiene, die mit dem luxemburgischen Eisenbahnnetz verbunden ist! Denn einige Tonnen Getreide werden manchmal mit der Bahn geliefert und auch das Mehl wird manchmal mit der Bahn abtransportiert.
Ist das Getreide in der Grube gelandet, wird es erstmal in Silos zwischengespeichert. Dann wird es nach und nach gereinigt. Auf diesem Weg durch mehrere Maschinen kommen ebenfalls mehrere Siebe und Luftgebläse zum Einsatz. Diese blasen den leichteren Schmutz einfach weg. Aber sogar Kameras werden eingesetzt! Die Mühle in Kleinbettingen verfügt über eine Maschine mit vielen Kameras. Diese erkennen blitzschnell, wenn unter den vielen Körnern eins ist, das dunkler oder heller ist als normale Getreidekörner. Die Körner, die anders sind, werden dann mit großer Geschwindigkeit aussortiert. Das gleiche passiert mit Steinchen oder anderen Verunreinigungen, die trotz der Vorreinigung noch zwischen den Körnern stecken.
Sind die Getreidekörner blitzsauber, werden sie in einer anderen Maschine angefeuchtet. Das macht es den Mahlwalzen leichter, das Korn in seine Bestandteile zu zerlegen. Diese Walzen drehen sehr schnell. Sie quetschen die Körner so kräftig, dass die Schale aufplatzt und sich vom Teil der Körner, in dem man das Mehl findet, löst. Danach landet alles nach und nach in den Plansichtern, über die wir am Anfang dieses Artikels geschrieben haben.
Nichts von den Körnern geht verloren
Nichts vom Getreide geht übrigens verloren: aus den Schalen und den Kleien – das sind die feinen Häutchen, die den Kern des Korns schützen – wird Tierfutter hergestellt. Hier siehst du übrigens, wie es im Innern eines Weizenkorns aussieht.
Die Müller in der Mühle können genau steuern, wie fein das Mehl oder der Grieß sein muss, das am Ende aus dem Mahlvorgang entsteht. Manchmal mischen sie auch Mehle verschiedener Qualität.
Manche Mehlmischungen eignen sich besser für Kuchenteig, andere für Brotteig, wieder andere für Pizzateig oder Nudelteig… Es gibt eine riesige Auswahl. Am Ende der Produktion rieselt das Mehl durch ein letztes Sieb, um auch die aller allerletzte Verunreinigung zu beseitigen.
Mehlmischungen aus Kleinbettingen kommen bis nach Amerika
Viele Menschen essen jeden Tag Nahrungsmittel aus Getreide. Sei es Brot, Kaffiskichelcher, Nudeln oder auch Pizza. Deshalb ist es wichtig nachvollziehen zu können woher das Mehl kommt, falls ausnahmsweise ein Problem auftritt. Wenn es einmal ein Problem gibt – wenn zum Beispiel jemand krank wird – kann man sehr schnell und genau nachverfolgen, wo dieses Problem herkommt. Jede Ladung Getreide und jeder Sack Mehl, aus denen Lebensmittel hergestellt werden, kann so ermittelt werden.
Die Hersteller wollen natürlich keine Probleme haben. Deshalb kontrollieren sie ihre Produkte ganz streng. Und die werden manchmal ganz schön weit in die Welt hinaus transportiert. Die Mühle von Kleinbettingen verkauft einige ihrer Mehlmischungen sogar in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Im Inneren eines Getreidekorns
Ein Getreidekorn ist klein, aber es besteht aus vielen Teilen. Das siehst du, wenn du mal eins genauer unter die Lupe nimmst und aufschneidest. Es hat eine Schale, an der manchmal noch Fasern dran sind. Dann gibt es ein Häutchen, das den Kern umschließt. In dem Kern wiederum gibt es eine weiße Substanz, das ist der Mehlkörper, aus dem das Mehl gewonnen wird. Dann gibt es noch einen dunkleren Fleck. Hier sitzt der Keimling. Würdest du das Korn weiterpflanzen, würde aus ihm eine neue Getreidepflanze werden. In einer Getreidemühle werden die Körner sozusagen in ihre Bestandteile zerlegt.
Mahlen wie vor 100 Jahren
Ratter, ratter, quietsch, quietsch, ratter, ratter, quietsch, rumpel, quietsch, ratter, ratter… Unzählige Rollen und Bänder drehen sich in der Mühle von Enscheringen bei Wilwerwiltz im Norden des Landes. Durch kleine Fenster in Holzkästen kann man zusehen, wie kleine Förderbänder Getreidekörner von Etage zu Etage transportieren von oben laufen sie dann in einen dicken, alten Walzenstuhl aus Gußeisen. Der mahlt das Getreide. Das heißt, dass die Schale der Körner von dem Inneren der Körner, dem so genannten Mehlkörper, getrennt wird.
Die Bestandteile fallen durch feine Siebe, die immer wieder gerüttelt werden. Auf diese Weise wird Mehl erzeugt. Aber auch die anderen Bestandteile der Körner werden aussortiert und können wiederverwendet werden, zum Beispiel, um in einer Biogasanlage Energie zu erzeugen. Heute treibt meistens ein elektrischer Motor das Ganze an. Früher war es ein großes Mühlrad, das mit Wasserkraft angetrieben wurde. Im Fall der „Rackésmillen“ – die heißt so, weil sie früher der Familie Racké gehörte – kam diese Kraft aus dem Fluss Klerf. Damit das Wasser am Ort der Mühle richtig schnell floss, hat man oberhalb der Mühle Kanäle angelegt und sogar einen kleinen Weiher. Durch Schleusen konnte man kontrollieren, wie schnell das Wasser floss. Es musste natürlich richtig schnell fließen, wenn gemahlen werden sollte.
Eine Mühle gibt es in Enscheringen schon seit dem 14. Jahrhundert. Das weiß man, weil sie in einem Dokument aus dieser Zeit zum ersten Mal erwähnt wurde. Das Mühlengebäude, das du heute noch sehen kannst, wurde 1824 gebaut. Es wurde aber mehrmals umgebaut. 1920 kaufte die Familie Racké die Mühle. Hier wurde bis 1954 Mehl gemahlen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, also nach 1945, wurden immer größere Mühlen gebaut, die mit elektrischer Kraft angetrieben wurden. Das erlaubte es, sie dort zu errichten, wo die Bauern ihr Getreide am einfachsten und am schnellsten abliefern konnten. Das wurde dann viel billiger.
Die kleinen Wassermühlen, von denen es früher hunderte in Luxemburg gab, verschwanden nach und nach. Dass es die „Rackésmillen“, die heute dem „Tourist Center Robbesscheier“ gehört, noch gibt ist dem Müllermeister Willy Racké zu verdanken. Er machte die Mühle ab 1967 für alle zugänglich und erklärte allen, die sich dafür interessieren, wie die Mühle arbeitet. Heute kannst du sie von mittwochs bis sonntags besuchen kommen. Es gibt dort auch ein Restaurant und man kann sogar dort übernachten. Alle Infos gibt es auf www.rackesmillen.lu
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