Im Bauch des Riesenfliegers
17. April 2023Tina Schmitt gehört zu den 30 Fachleuten, die bei Cargolux in Luxemburg für die fachgerechte Beladung von Frachtflugzeugen sorgen – Das ist ziemlich kompliziert und oft auch spektakulär.
Im Luxair-Cargocenter am Flughafen Findel herrscht viel Betrieb. Dauernd bringen Lastwagen Waren und holen welche ab. In den riesigen Lagerhallen stapeln sich Kisten, Fässer, Container. Sogar Autos sind dort geparkt. Alle diese Dinge warten entweder darauf, an Ziele in der ganzen Welt gebracht zu werden oder kommen gerade von anderen Flughäfen, um per Lastwagen, Bahn, Schiff oder Flugzeug an Kunden in ganz Europa verteilt zu werden.
Der Flughafen Luxemburg, im Herzen Europas, ist ein wichtiger Ort für Luftfracht. Schon seit 1970 gibt es das Unternehmen Cargolux, das die Waren mit dem Flugzeug befördert. Heute ist Cargolux eine der größten Luftfrachtgesellschaften der Welt und fliegt 90 Ziele an. Die Gesellschaft transportiert nur Waren und keine Personen. Aber wer belädt und entlädt eigentlich die Flugzeuge? Wie wird das geplant? De Piwitsch hat darüber mit Tina Schmitt gesprochen. Sie ist seit 15 Jahren „Loadmasterin“ bei Cargolux. Als „Loadmasterin“ ist sie verantwortlich für die Beladung und Entladung der Flugzeuge.
Worauf muss man bei der Beladung eines Flugzeugs besonders achten?
Tina Schmitt Es gibt sehr viele Dinge, auf die man achten muss. Natürlich kann man nicht mehr an Bord laden, wie das Flugzeug transportieren kann, sonst kann es gar nicht abheben. Aber es kommt auch darauf an, wie man die Fracht im Flugzeug verteilt. Ein Flugzeug ist zwischen den Flügeln am stabilsten denn direkt darunter ist auch das Hauptfahrwerk. Daher kommt die schwerste Fracht immer dorthin. Dann muss man aufpassen, wie man das Flugzeug belädt.
Wenn man zuerst schwere Fracht hinten ins Flugzeug hinbringt, kann es sein, dass die Maschine sich vorne hebt und ihr Schwanz auf den Boden knallt. Lädt man vorne gleich zu viel, kann es sein, dass die Reifen des vorderen Fahrwerks platzen. Und schließlich muss alles ordentlich verzurrt sein. Denn in der Luft wirken unheimliche Kräfte auf die Maschine und seine Fracht. Wenn sich etwas löst, kann es einen schlimmen Unfall geben. Die Loadmasterin oder der Loadmaster ist auch dafür verantwortlich, dass nichts an Bord gelangt, was da nicht hingehört.
Das klingt nach einer Menge Verantwortung…
Tina Schmitt Das Trimmen ist auch eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Trimmen heißt, die Fracht so zu planen, dass das Flugzeug sich am Boden, beim Rollen, beim Start, beim Flug und bei der Landung sicher bewegt. Aber man trägt auch Verantwortung für die Fracht selbst. Cargolux befördert sehr unterschiedliche Waren.
Das können sehr große Dinge sein und sehr zerbrechliche, Dinge die speziell gekühlt werden müssen oder gefährlich sind und besonders abgesichert werden müssen. Cargolux befördert auch regelmäßig Tiere. Auch solch ein Transport muss mit größter Sorgfalt vorbereitet werden, um sicher zu stellen, dass die Tiere so wenig wie möglich gestresst sind. Die Sorte Fracht, die zu transportieren ist, bestimmt auch ihre Verteilung an Bord. Ziel ist, dass alles so an der Destination ankommt, wie es in Luxemburg geladen wurde.
Woher weißt du denn, was an Bord kommt?
Tina Schmitt Die Informationen liegen schon bereit, wenn ich zur Arbeit komme. Im Computer sehe ich genau, was wohin kommt und kann entsprechend planen. Unsere Kollegen von Luxair-Cargo bereiten die Fracht vor. Jede Frachtpalette hat eine Kennnummer und wird so an Bord gebracht, wie ich das festlege.
Wie lange Zeit hast du, um ein Frachtflugzeug zu beladen?
Tina Schmitt Normalerweise zweieinhalb Stunden. Aber manchmal dauert es auch länger, wenn wir besonders große oder empfindliche Fracht haben. Dann müssen schon mal besondere Maschinen her, um die Dinge sicher an Bord zu bringen. Manchmal ist es Millimeterarbeit.
Geht das Entladen schneller?
Tina Schmitt Gefühlsmäßig ja, aber man muss natürlich mit der gleichen Sorgfalt arbeiten. Denn auch bei der Entladung dürfen die Waren oder das Flugzeug natürlich nicht kaputt gehen.
Musst du manchmal auch an Bord bleiben, um die Waren zu begleiten?
Tina Schmitt Das kommt tatsächlich regelmäßig vor. Zum Beispiel, wenn der Flug an Ziele geht, an der keine Cargolux-Loadmaster vor Ort sind oder die Kolleginnen und Kollegen dort nicht ausreichend Erfahrung bei der Entladung einer besonderen Ware haben. Wenn besonders kostbare Fracht transportiert werden muss, ist oft auch einer der rund 30 Cargolux-Loadmaster dabei.
Was war die spektakulärste Fracht, die du bislang transportiert hast?
Tina Schmitt Die Beluga-Wale waren außergewöhnlich. Das war ein riesiger technischer Aufwand (schau dir dazu den Rahmen unten an). Aber wir hatten auch riesige Apparate zu laden, Teile von Flugzeugen oder sogar ganze Flugzeuge und Helikopter. Cargolux hat zum Beispiel das Flugzeug Solar Impulse transportiert, das nur mit Sonnenenergie um die ganze Welt geflogen ist. Was Tiere anbelangt habe ich schon Löwen, Giraffen und sogar Elefanten geladen. Da muss man natürlich immer besondere Vorkehrungen treffen.
Was muss man eigentlich lernen, um „Loadmasterin“ zu werden?
Tina Schmitt Dafür gibt es eigentlich keinen direkten Ausbildungsweg. Jede Fluggesellschaft bildet die Fachleute so aus, dass sie mit den speziellen Anforderungen der Gesellschaft klarkommen. Aber natürlich müssen die „Loadmaster“ eine Lizenz haben, die ihnen bescheinigt, dass sie Flugzeuge nach den internationalen Anforderungen der Flugzeugkonstrukteure und Luftfahrtautoritäten beladen und entladen können. Ich habe Speditionskauffrau gelernt.
Das ist ein Beruf, in dem man dafür sorgen muss, dass Waren pünktlich und möglichst schnell und billig von einem Ort zum anderen transportiert werden. Die Luftfracht hat mich schon immer interessiert, deshalb habe ich schon in dem Bereich gearbeitet, bevor ich zu Cargolux gekommen bin. Nun bin ich 15 Jahre bei dieser Gesellschaft und es macht mir immer noch einen Riesenspass. Da jeder Tag andere Herausforderungen bringt, wird es in meinem Beruf auch nie langweilig.
Wale an Bord!
Vor vier Jahren hat Cargolux ein außergewöhnliches Projekt unterstützt: Den Transport von zwei Beluga-Walen von Schanghai in China nach Island. Sea Life Trust, eine Organisation, die Meerestiere schützt und die Partner dieser Organisation hatte die beiden Walmädchen gekauft, um sie aus einem Aquarium in China zu holen und in einer geschützten Bucht bei Island in die Freiheit zu bringen. „Little Grey“ und „Little White“ – „Kleine Graue“ und „Kleine Weiße“ – heißen die Wale.
Sie sind fast vier Meter lang und über 1.100 Kilo schwer und wurden in speziellen Wasserbehältern an Bord einer großen Cargolux-Maschine gebracht. Ihre Reise von fast 9.700 Kilometern dauerte insgesamt 36 Stunden. Während dieser Zeit wurden sie von Tierärzten und Walspezialisten dauernd überwacht, um sicher zu gehen, dass es ihnen gut geht. Nach der Landung am Flughafen in Island wurden die Behälter auf Lastwagen und dann auch eine Fähre verladen, mit denen die Tiere in die geschützte Bucht gebracht wurden, wo sie noch heute leben. Beluga-Wale sind sehr intelligente Tiere, die im kalten Wasser der arktischen Meere zuhause sind. Leider sind sie vom Aussterben bedroht.
Wenn du mehr über die Cargolux-Flugzeuge wissen möchtest, kannst du dir diese Reportage anschauen. Hast du weitere Fragen zu dieser Reportage? Dann schreibe uns an info@piwitsch.lu