In die große Aufbewahrungsanlage für Getreide in Colmar-Berg passen fasst 10.000 Tonnen Getreide. Foto: SCRIPT

Im Korntresor

19. August 2022

Was passiert eigentlich mit dem Getreide, nachdem es von den Feldern geerntet wurde? De Piwitsch ist dieser Frage nachgegangen und hat Antworten in Colmar-Berg bekommen.

Berge von Körnern liegen in der riesigen Halle der Bauerngenossenschaft De Verband in Colmar-Berg. Nach der Getreideernte sind die Betonbehälter ganz schön voll. Insgesamt werden derzeit über 9.000 Tonnen Weizen, Roggen, Gerste, Triticale – eine Getreidekreuzung aus Weizen und Roggen -, Hafer, Dinkel und Rapssamen hier aufbewahrt, die von den Feldern der Bauern aus der Gegend stammen. 

Im Juli, wenn die Ernte voll läuft, ist am meisten Stress in den Getreideannahmestellen. Die Ernte wurde in diesem Jahr außergewöhnlich früh eingebracht. Foto: SCRIPT

Die Ernte ist eine stressige Zeit 

Wenn das Getreide auf diesen Feldern reif ist, muss es abgeschnitten werden und die Körner aus den Ähren – das ist der Teil der Pflanze, in der die Körner heranwachsen – getrennt werden. Das passiert gleich auf dem Feld mit großen Maschinen, wie Mähdrescher, die du zu Beginn des Sommers überall siehst. Du siehst sie deshalb überall, weil die meisten Getreidesorten zur gleichen Zeit reif werden. Diese Zeit nennt man auf Luxemburgisch „Karschnatz“, also dann, wenn die Körner geerntet werden müssen. Im „Karschnatz“ haben die Bauern sehr viel Arbeit. Denn wenn die Körner zu lange im Feld stehen, kann es sein, dass sie faulen oder durch Regen zu nass werden für die Weiterverarbeitung. 

Der „Karschnatz“ ist aber auch die stressigste Zeit für die Leute vom Verband. Denn die Landwirte transportieren ihr Getreide meist direkt vom Feld zur Aufbewahrung in die Anlagen der Genossenschaft. Sie sind froh darüber, denn das erspart ihnen den teuren Bau großer Aufbewahrungsanlagen auf ihren Höfen. 

Dauernd Qualitätskontrolle 

Die Anlage des Verband gleich neben der Nordstraße in Colmar-Berg ist eine von vierzehn Annahmestationen für Getreide, die die Bauerngenossenschaft in Luxemburg, aber auch in Belgien und Deutschland betreibt. Die Anlage ist sehr modern, denn sie wurde erst 2018 eröffnet, wie De Verband-Direktor Serge Turmes dem Piwitsch erklärt. Er hat auch sein Büro hier, weil hier auch das Hauptquartier des Verband steht.  

Die Getreidebunker aus Beton sind derzeit voll. Foto: SCRIPT

Aus den Annahmestationen wird das Getreide dann nach und nach zur Weiterverarbeitung abtransportiert. Aus den einen Getreidesorten wird Futter für Tiere, aus den anderen Mehl für Brot, Backwaren und Nudeln oder Öl für die Küche. 

Der Weg „Feld – Aufbewahrung – Weiterverarbeitung“ klingt einfach. Die Etappen sind aber ganz schön kompliziert. Denn man muss auf eine ganze Menge Dinge aufpassen, damit die Körner eine gute Qualität haben, sie nicht von Krankheiten befallen werden oder Tiere und Insekten sie anknabbern.  

Schon auf dem Feld wird die Qualität des Getreides geprüft. Auch bei der Annahme der Körner wird dies noch einmal geprüft. Zu allererst kommt die Ladung Körner mitsamt dem Anhänger auf eine überdimensionale Waage. Das Gewicht des leeren Anhängers, die so genannte Tara,  ist bekannt. Deshalb kann man genau ausrechnen, wieviel das Getreide in dem Anhänger wiegt. Dann kommt eine ArtStaubsaugerrohr zum Einsatz. Dieses taucht in die Körnerladung ein und saugt ein wenig Getreide an. Diese Probe  kommt dann durch eine Klappe im Getreidelabor an. Aus jeder Ladung werden an mehreren Stellen solche Stichproben entnommen. 

Die Waage für die Getreideladungen ist die Platte im Boden. Mit der Vorrichtung neben der Waage werden Proben aus den Ladungen entnommen. Ist alles in Ordnung, darf der Bauer seine Ladung zu den Pforten ganz hinten am Gebäude fahren. Foto: SCRIPT

Wichtiger Feuchtigkeitsgrad 

Die Leute im Labor prüfen dann mit verschiedenen Apparaten, wie feucht das Getreide ist. Enthält die Probe mehr als 15 Prozent Feuchtigkeit, muss das Getreide zuerst getrocknet werden, bevor es in die Aufbewahrungshalle kommen kann. Denn zu feuchtes Getreide schimmelt und der Schimmel, der gefährlich für Menschen und Tiere ist, kann sehr schnell auf die anderen Körner übergreifen. Es wird aber auch kontrolliert, wie verunreinigt die Proben sind.

Trotz aller Sorgfalt bei der Ernte kann es sein, dass in der Ladung noch Staub, Getreidehalme oder sogar Steinchen sind. Auch die müssen vor der Lagerung entfernt werden. Es werden aber auch noch andere Dinge geprüft, zum Beispiel wieviel Eiweiß die Körnern enthalten. Das ist für die Weiterverarbeitung wichtig. 

Der ganze Prüfprozess dauert meistens nur einige Minuten. Ist alles in Ordnung, darf der Bauer seine Ladung abliefern. Dazu fährt er zu einem Teil des Gebäudes mit einem Turm und kippt dort sein Getreide durch ein Gitter in einen Betonbehälter.

Von dort aus wird es bis ganz oben in den Turm hochgeblasen. So werden die Körner von Staub und anderen Verschmutzungen gereinigt. Der Schmutz wird einfach weggeblasen und landet in Filtern und am Ende in einer großen Metallkiste. Er wird auch nicht einfach weggeworfen, sondern später in Anlagen gefahren, wo zum Beispiel Biogas erzeugt wird. Die Körner landen ihrerseits auf einem langen Förderband in der großen Lagerhalle. 

Die Körner werden mit einem Förderband an ihre Stelle befördert. Foto: SCRIPT
Mit solchen Sensoren wird die Feuchtigkeit und die Temperatur in den Getreidebunkern gemessen. Fotos: SCRIPT

1.200 Tonnen in einer Betonbox 

Das bringt sie dann vollautomatisch in die richtige Betonkiste, wo das Getreide aufbewahrt wird. In eine solche „Box“ passen übrigens 1.200 Tonnen. Das ist soviel wie das Gewicht von rund tausend Autos. Doch die Arbeit ist noch nicht vorbei, wenn die Körner in den Betonkisten liegen. Diese sind mit riesigen Endlosschrauben – die man auch „Schnecken“ nennt – ausgestattet, welche das Getreide nach hinten oder nach vorne in die Boxen verteilen.  

Im Boden befinden sich Luftkanäle. Durch sie wird Luft durch das Getreide geblasen, um es abzukühlen und zu trocknen. Foto: SCRIPT

Kühlen und trocknen 

Nun muss es noch abgekühlt und fertig getrocknet werden. Das erledigt eine Belüftung am Boden der Boxen. Und wie wissen die Leute vom Verband, wann sie die Belüftung abschalten können? Nun, in jedem Getreideberg stecken mehrere Sensoren, welche die Feuchtigkeit der Körner messen. Alle diese Informationen können die Mitarbeiter auf ihren Computern abrufen.

Die Anlage kann komplett über Computer gesteuert werden. Foto: SCRIPT

Von dort aus können sie die ganze Anlage auch vollautomatisch steuern. In den nächsten Monaten werden sich die Boxen nach und nach leeren. Denn immer wieder kommen Lastwagen Körner abholen, um sie zu verschiedenen Mühlen zu fahren. Im Juli 2023 ist es dann wieder soweit: dann beginnt der „Karschnatz“ von vorne und die rund 100 Bauern, die ihr Getreide beim Verband in Colmar-Berg abliefern, warten wieder mit ihren Traktoren und Anhängern darauf, die neuen Körner in die Anlage kippen zu können.   

Nach und nach leeren sich die Getreidebunker. Foto: SCRIPT

Welche Getreidesorten gibt es und was wird daraus?

Weizen – auf Luxemburgisch „Weess“. Es ist nach Mais das weltweit wichtigste Nahrungsmittel. Auch in Luxemburg ist es das meistangebaute Getreide. Mehr als 75.000 Tonnen werden jährlich geerntet. Es gibt mehrere Sorten davon. Aus Hartweizen werden zum Beispiel Nudeln gemacht. Aus Weichweizen wird Mehl zum Backen.  

Verschiedene Getreidesorten: Von links nach rechts seht ihr Weichweizen, Roggen, Gerste und Hafer. Foto. SCRIPT

Dinkel – auf Luxemburgisch „Spelz“. Diese Getreideart enthält mehr Vitamine und Mineralstoffe als Weizen. Rund 3.800 Tonnen davon werden in Luxemburg jährlich geerntet.  

So sieht Dinkel aus. Foto: Shutterstock

Roggen – auf Luxemburgisch „Kar“. Auch Roggen enthält mehr Mineralstoffe und Vitamine als Weizen und hat einen aromatischeren Geschmack. 6.400 Tonnen davon werden jährlich im Großherzogtum geerntet.  

Gerste – auf Luxemburgisch „Geescht“. Es ist das am zweithäufigsten angebaute Getreide. Über 35.000 Tonnen davon werden jährlich in Luxemburg geerntet. Es kann zu Mehl verarbeitet werden, aber auch zu Malz. Malz ist eine wichtige Zutat für Bier.   

Triticale – Das ist ein Getreide, das in Laboren aus einer Kreuzung von Weizen und Roggen gezüchtet wurde. Die Menschen suchen immer nach Getreide, das mehr Körner produziert, leichter anzubauen ist, weniger Wasser braucht und widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge ist. Triticale ist ein Resultat aus dieser Forschung. Rund 28.000 Tonnen davon werden jährlich in Luxemburg jährlich geerntet. Das meiste wird zu Futter für Tiere verarbeitet.  

Hafer – auf Luxemburgisch „Huewer“. Bestimmt kennst du Haferflocken oder Haferbrei. Hafer ist eines der gesündesten Getreide mit vielen Mineralstoffen, Eiweiß und Vitaminen. Deshalb mögen es auch Pferde besonders gerne. Mehr als 7.000 Tonnen davon werden jedes Jahr im Großherzogtum geerntet. 

Raps – Raps heißt auch auf Luxemburgisch „Raps“. Bestimmt hast du im Frühjahr schon große Felder mit unzähligen hellgelben Blumen gesehen. Diese Pflanze heißt Raps. Wenn sie verblüht ist, bildet sie dunkle Schoten, in denen Samen sind. Aus diesen Samen kann man Öl gewinnen, das zum Beispiel in Margarine landet oder mit dem gekocht wird. Die Rapspflanze und die Samen können aber auch als Tierfutter dienen. Rund 10.000 Tonnen Raps werden jedes Jahr in Luxemburg geerntet.  

Im Frühling blühen die Rapsfelder. Foto: Shutterstock
Aus Raps gewinnt man Samen, aus denen Öl gepresst werden kann. Foto: Shutterstock

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