Kapitän Charles Victor ist seit zwölf Jahren Pilot bei der Luxair. Foto: SCRIPT

„Man muss immer die Nerven behalten“

17. April 2023

Wie wird man Pilot und was muss man alles tun in diesem Beruf? De Piwitsch hat darüber mit Kapitän Charles Victor von der Luxair gesprochen – und durfte sogar mit ins Cockpit steigen

Das Flugzeug ist groß. Aber im Cockpit – das ist der Platz ganz vorne, an dem Pilot und Co-Pilot sitzen – ist es ziemlich eng. Überall gibt es Knöpfe und Schalter. Aber Kapitän Charles Victor ist die Enge gewohnt und schwingt sich locker auf den Pilotensitz des Flugzeugs vom Typ De Havilland Q400. Es ist eines von elf solchen Flugzeugen, die die Luxair betreibt. Weiter unten kannst du eine Beschreibung der Maschine lesen, die zwei Propeller hat und 76 Passagiere transportieren kann.

So sieht es im Cockpit eines Q400-Flugzeugs der Luxair aus. Video: SCRIPT

Kapitän Charles bereitet gerade den Flug von Luxemburg nach Kopenhagen vor – das ist die Hauptstadt von Dänemark. Dafür hat er noch eine ganze Menge zu tun. Er muss sich noch mit seinem Co-Piloten und den beiden Stewardessen besprechen. Dabei geht es unter anderem darum, wie die Wetter- und Flugbedingungen auf der Flugstrecke und am Zielflughafen sind, ob es Passagiere gibt, die spezielle Wünsche haben oder ob Tiere mit an Bord kommen oder nicht.

 „Man muss immer mit unerwarteten Situationen rechnen“

Gemeinsam mit dem Co-Piloten muss er angesichts der Länge der Strecke, sowie der Wetter- und Flugbedingungen ausrechnen, wieviel Treibstoff das Flugzeug tanken muss. Immer muss eine große Reserve mit eingerechnet werden, denn es kann sein, dass das Flugzeug aus irgendeinem Grund länger unterwegs ist als geplant.

Hier treffen sich die Besatzungen der Flugzeuge, um über ihre Flüge zu sprechen. Auch sie müssen erst durch die Sicherheitskontrolle, bevor sie hierher gelangen. Foto: SCRIPT
Auf einem Tablet sieht Kapitän Charles Victor alle Informationen, die er für den Flug nach Kopenhagen benötigt. Damit kann er den Flug planen. Foto: SCRIPT

Zum Beispiel wenn ein Sturm aufzieht und eine Landung wegen zu starkem Wind nicht möglich ist. Oder wenn viel Schnee fällt und es zu glatt auf der Landepiste ist. Dann fliegt das Flugzeug auf einen so genannten Ausweichflughafen, wo die Bedingungen besser sind und es landen kann. Es ist auch schon mal vorgekommen, dass ein Passagier an Bord so krank wurde, dass das Flugzeug schnell landen musste, damit die Person in eine Klinik gebracht werden konnte.

„Man muss immer mit unerwarteten Situationen rechnen“, sagt Kapitän Charles, der schon zwölf Jahre für die Luxair fliegt. Weiter unten kannst du ein Interview mit ihm über seinen Beruf lesen. „Aber man muss immer die Nerven behalten“, lächelt der Pilot. Für jede Situation gibt es einen genauen Ablauf, was das Pilotenteam machen muss. Jede Pilotin und jeder Pilot muss diese Abläufe auswendig kennen und trainiert regelmäßig unvorhergesehene Situationen in einem Simulator.

Für jede Situation, die während eines Fluges auftreten können ist genau festgelegt, was die Pilotinnen und Piloten tun müssen. Sie trainieren alle Situationen regelmäßig, haben aber auch ein Buch an Bord zum Nachschlagen. Foto: SCRIPT

„Kein Flugzeug hebt ab, wenn nicht alles zu hundert Prozent läuft“

Wenn so eine Situation dann tatsächlich eintritt, wissen die Leute im Cockpit ganz genau, was sie tun müssen. Es ist logisch, dass alles unternommen werden muss, um die Sicherheit der Passagiere, des Flugteams und der Menschen am Boden zu sichern.

Deshalb gibt es viele Checklisten und Kontrollen. Natürlich muss Kapitän Charles vor dem Abflug sein Flugzeug zusammen mit dem Co-Piloten prüfen. Einer der Beiden dreht eine Runde um den Q400 und schaut sich erst außen genau an, ob es keine Probleme gibt. Er dreht an den Propellern, öffnet Klappen, leuchtet mit einer Taschenlampe in Ecken, wo es zu dunkel ist. Im Cockpit werden auch alle elektronischen Systeme durchgecheckt. Sollte der Pilotin oder dem Piloten etwas kaputt erscheinen oder etwas nicht so funktionieren, wie es sollte, wird sofort die Flugmechanik gerufen. „Kein Flugzeug hebt ab, wenn nicht alles zu hundert Prozent läuft“, erklärt Kapitän Charles. 

Die Piloten müssen eine Menge Dinge am Flugzeug prüfen, bevor sie starten können. Video: SCRIPT

Dass die Piloten ihre Maschine in- und auswendig kennen müssen, ist logisch. Charles hat viele Flugstunden mit der Q400 absolviert. Acht Jahre lang war er Co-Pilot auf diesen Maschinen, bevor er vier Jahre Dienst als Co-Pilot auf der Boeing 737 verrichtete, dem anderen Flugzeugtyp in der Luxair-Flotte. Weiter unten kannst du eine Beschreibung dieses Flugzeugs lesen.

Bereit sein, viel zu lernen

Vor kurzem erst wurde Charles zum Q400-Kapitän befördert. Dafür musste er aber erst wieder in Prüfungen sein ganzes Wissen über dieses Flugzeug beweisen. Man darf mehrere Typenberechtigungen haben. Wenn Charles einmal Kapitän einer Boeing 737 wird, muss er also wieder alle Prüfungen ablegen, um damit fliegen zu dürfen, obwohl er ja schon Co-Pilot auf einer solchen Maschine war.

Eine ganze Menge Knöpfe müssen die Pilotinnen und Piloten beherrschen. Foto: SCRIPT

Wer Pilot werden will, muss also bereit sein, viel zu lernen. Die Kandidatin oder der Kandidat müssen aber auch bereit sein, viel zu reisen und flexibel bei ihrer Zeitplanung zu sein. Denn ein unvorhergesehenes Problem kann den Stundenplan ziemlich durcheinanderwirbeln. Außerdem hat man regelmäßig an Wochenenden und Feiertagen Dienst und muss manchmal früh raus oder kommt erst spät nach Hause. „Das weiß man, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet“, sagt Charles. Gegen einen anderen Beruf tauschen möchte ihn der Pilot aber auf keinen Fall. Dafür ist seine Leidenschaft fürs Fliegen viel zu groß. 

Interview mit Kapitän Charles Victor

„Ich stand oft am Flughafen und habe die Flugzeuge beobachtet“

Warum wurdest du Pilot? 

Charles Victor Als ich klein war, war ich oft bei meinen Großeltern und die wohnten in der Nähe einer Klinik, bei der der Rettungshubschrauber manchmal landete. Wenn ich nur konnte, rannte ich immer dahin, um mir das anzusehen. Ich stand auch oft am Flughafen und habe die Flugzeuge beobachtet. Im dritten Schuljahr bin ich dann zum ersten Mal mit dem Flugzeug in die Ferien geflogen. Danach stand für mich fest: Ich will auch einmal Pilot werden. So schnell es ging habe ich meine Privatpilotenlizenz gemacht.

De Piwitsch: Hast du denn auch ein Flugzeug zuhause?

Charles Victor Ja, aber nur kleine Flugzeuge, mit denen mein Sohn spielt. Ein richtiges Flugzeug habe ich nicht. Vielleicht kaufe ich mir einmal ein kleines Flugzeug, wenn ich in den Ruhestand gehe.

Was musstest du lernen, um Pilot bei einer Fluggesellschaft zu werden?

Charles Victor Nach dem Abschluss meiner Sekundarschulstudien habe ich mich sofort bei Luxair beworben. Die suchte damals nach angehenden Piloten und schickte sie in die Ausbildung. Ich bin zur Flugakademie in Brüssel gegangen und danach sieben Monate lang zu einer Flugakademie in Amerika.

Es gibt eine Menge Prüfungen, die man ablegen muss und Flugscheine, die man bekommen muss, ehe man überhaupt einen Knopf im Cockpit eines großen Flugzeugs drücken darf. Du musst gut rechnen können, Physik und Flugzeugtechnik verstehen, du musst dich gut orientieren können, das Wetter einschätzen können, aber auch gut Englisch sprechen. Denn das ist die Sprache der Luftfahrt auf der ganzen Welt.

Kapitän Charles Victor vor seinem Dienstflugzeug. Foto: SCRIPT

Ist es teuer, Pilot zu werden?

Charles Victor Es ist ziemlich teuer. Da muss man als Student schon einen Kredit bei einer Bank aufnehmen und Unterstützung von der Familie bekommen. Ich hatte das Glück, dass damals Luxair einen Teil der Kosten übernommen hat.

Bekommt man die Pilotenlizenz dann für das ganze Leben?

Charles Victor Nein. Man muss schon dafür sorgen, dass man sie behält. Das heißt, dass man dauernd dazu lernen muss. Denn die Technik und die Vorschriften ändern. Außerdem muss man alle sechs Monate in einem Flugsimulatorwiederholen, wie man mit außergewöhnlichen Situationen klarkommt. Bei Luxair haben die Piloten in der Regel eine Typenberechtigung für entweder die De Havilland Q400 oder die Boeing 737. Wenn ich also eine Zeit lang die Q400 nicht fliege und sie wieder fliegen will, muss ich wieder alle Prüfungen dafür machen. 

Was ist für dich das Stressigste beim Fliegen?

Charles Victor Manchmal muss ich sehr früh aufstehen, das mag ich nicht so besonders. Beim Fliegen selbst sind die Starts und die Landungen die Momente, wo man am aufmerksamsten sein muss. Die Piloten haben Unterstützung von den Bordcomputern und den Radarsignalen, um den richtigen Weg zu finden. Aber die Starts und Landungen steuern sie auf der Q400 selbst. Landungen auf der Boeing 737 sind nur bei Nebel automatisch, fordern aber auch höchste Aufmerksamkeit von den Piloten.

Auch wenn sie nichts sehen, wenn zum Beispiel Nacht ist oder dicker Nebel?

Charles Victor Für solche Situationen haben wir ein Gerät, in das wir reinschauen können und genau sehen, ob wir alles richtig machen. 

Das klingt alles ziemlich anstrengend. Hast du eigentlich Zeit, während des Fluges zur Toilette zu gehen oder etwas zu essen?

Charles Victor Wenn es sehr kurze Flüge sind, ist das manchmal schwierig. Aber ein paar Minuten Zeit für einen Gang zur Toilette, ein Sandwich oder ein Stück Obst hat man normalerweise schon. Sobald wir auf der vorgeschriebenen Flughöhe sind, kann der Autopilot – also der Flugzeugcomputer – übernehmen. Allerdings muss in jedem Moment entweder der Pilot oder der Co-Pilot im Cockpit sein, damit er sofort reagieren kann, wenn ein unvorhergesehenes Problem auftaucht.

Wie weißt du eigentlich, welche Strecke du fliegen darfst?

Charles Victor Wir benutzen hauptsächlich GPS-Funksignale. Am Boden gibt es aber auch viele Antennen, die Funksignale an die Flugzeuge schicken. Du weißt genau, wo welche GPS-Punkte liegen oder welche Antenne steht. Die Flugroute ist genau mit GPS-Punkten oder Bodenantennen definiert. Das ist wie die Schilder auf einer Autobahn, die dir sagen, wo du gerade bist. 

Die Flugzeuge Q400 und Boeing 737

Die De Havilland Q400 kann mit einer Tankfüllung 2.522 Kilometer weit fliegen. Foto: Luxair

Die Luxair zählt elf De Havilland Q400-Flugzeuge in ihrer Flotte. Gebaut wurden sie von der kanadischen Firma Bombardier. Das Propellerflugzeug kann mit einer Tankfüllung 2.522 Kilometer weit fliegen und erreicht eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 667 Kilometern in der Stunde. An Bord gibt es 76 Sitzplätze.

Die Boeing 737-800 hat fast die doppelte Reichweite wie die Q400. Foto: Luxair

Zur Luxair-Flotte gehören auch vier Boeing 737-800-Flugzeuge, die jeweils 141 Sitzplätze haben. Die amerikanische Firma Boeing ist einer der größten Flugzeughersteller der Welt. Die Boeing 737-800 fliegt mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 853 Kilometern in der Stunde und hat eine Reichweite von 4.600 Kilometern. Etwas weniger weit – 4.050 Kilometer – kommt die Boeing 737-800 mit der gleichen Durchschnittsgeschwindigkeit. Dafür kann sie aber 186 Passagiere transportieren. Die Luxair zählt vier solcher Maschinen in ihrer Flotte. Insgesamt 83 Pilotinnen und Piloten bei Luxair können die Boeings fliegen. 110 können die Q400 fliegen.

Wörter aus der Schifffahrt

Weshalb heißt eigentlich der Pilot im linken Sitz im. Cockpit Kapitän? Und warum trägt er eine Uniform? „Das kommt aus der Schifffahrt“, erklärt Kapitän Charles Victor. Das ist auch ziemlich logisch, denn auch Schiffskapitäne müssen dauernd die Wetterbedingungen und den Treibstoff im Auge behalten, um von einer Stelle zur anderen zu kommen. „Wie in der Schifffahrt auch, rechnen wir die Windgeschwindigkeiten in Knoten und die Entfernung in nautischen Meilen“, sagt Charles. Dass Piloten und das Bordpersonal Uniformen tragen – das ist auch in der Schifffahrt so – hat auch einen praktischen Nutzen: Sie sind nie mit Passagierinnen oder Passagieren zu verwechseln. 

Das ist das Gradabzeichen eines Flugkapitäns. Foto: SCRIPT